August 2021 // Im Zuge der Coronapandemie waren die Voraussetzungen zum Reisen immer noch angespannt. Wir entschieden uns deshalb, das Erfolgsmodell aus dem vergangenen Sommer in Frankreich zu wiederholen: mit dem Auto ging es dieses Mal durch das zweitgrößte Nachbarland Deutschlands. Es ging nach Polen.
Die knapp 40 Millionen Polen verteilen sich auf einer Fläche von ca. 300.000 Quadratkilometern nordöstlich von Deutschland. Die gemeinsame Grenze folgt über den größten Teil der insgesamt 469km dem Verlauf der Oder. Zwischen der Ostsee im Norden und dem Tatragebirge im Süden hatten wir uns insgesamt acht Stationen auf der Karte angekreuzt. Hinzu kamen drei Kreuze für "kleinere" Zwischenstopps.
Große Teile der Gesamtstrecke von 4.000km in 24 Tagen entfielen auf die An- und Abreise. Von unserem Startpunkt in Südwestdeutschland brauchte es zunächst einmal 790km bis zu unserer ersten Station - Breslau im Südwesten Polens.
In Breslau leben etwa 640.000 Menschen. Die Hauptstadt der Woiwodschaft Niederschlesien liegt an der Oder und ist geprägt durch viel Wasser und viel Grün im Stadtzentrum.
Schon bei der Anfahrt fällt auf, dass man den Namen "Breslau" auf den Straßenschildern vergeblich sucht - zumindest ab der Landesgrenze. Der polnische Name der Stadt lautet Wrocław. Unsere Bemühungen um die korrekte Aussprache haben wir nach kurzer Zeit eingestellt. Wrocław hat eine sehr bewegte Geschichte und steht damit symbolisch für die Geschichte des ganzen Landes. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte Breslau eine überwiegend deutschsprachige Bevölkerung - egal ob die Stadt gerade zu Böhmen, Ungarn, Österreich, Preußen oder zu Deutschland gehörte. 1945 wurde Breslau unter polnische Verwaltung gestellt. Die deutsche Bevölkerung wurde deportiert und die halbleere Stadt wurde mit Neubürger/innen aus Zentral- und Ostpolen wieder aufgefüllt.
Breslau ist für Besucher/innen aus dem Ausland schon lange kein Geheimtipp mehr. Die Stadt war Austragungsort der Fußball-Europameisterschaft 2012 und vier Jahre später Kulturhauptstadt Europas. Diesen Titel verdiente sich die Stadt sicherlich auch durch ihre zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Neben der historischen Altstadt um den zentralen Platz Rynek und dem Alten Rathaus lohnt sich ein Spaziergang über die Dominsel zum Breslauer Dom. Einen tollen Überblick über die Stadt bekommt man am besten von der Terrasse des "Mathematischen Turms" der Universität.
Die Hohe Tatra ist ein Teil der Kaparten und liegt zu zwei Dritteln in der Slowakei, zu einem Drittel in Polen. Die Hohe Tatra gilt als das kleinste Hochgebirge der Welt - etwa 50km lang und 15km breit. Schon bei der Anfahrt erkennt man aber schnell, dass an der Höhe nicht gespart wurde. Viele der Gipfel liegen deutlich über 2.000m. Der Rysy kommt als höchster Berg Polens sogar auf 2.499m.
Unsere Unterkunft war eine kurze Autofahrt von Zakopane entfernt. Der Ferienort liegt im äußersten Süden Polens und ist ein beliebter Ausgangspunkt für einen Ausflug ins Gebirge und in den Nationalpark. Auf der Internetseite www.zakopane.pl fanden wir eine Auswahl möglicher Touren und Ziele. Am ersten Tag ging es zu Fuß über die Alm Hala Gąsienicowa zum Czarny Staw Gąsienicowy (dt. Schwarzer See). Beide Ziele sind absolute Postkartenmotive, auch wenn es auf den Fotos vielleicht etwas einsamer und ruhiger wirkt, als es war. Gerade in der Sommerzeit ist hier nämlich ganz schön viel los. Deshalb starteten wir am zweiten Tag bereits früh am Morgen, um die Warteschlangen an der Bergbahn zum Kasprowy Wierch zu vermeiden. Die einzige Hochgebirgsseilbahn Polens bringt einem in etwa zehn Minuten auf einen der bekanntest Gipfel, von wo aus wir zu Fuß den Weg zurück ins Tal antraten.
Die Gipfel der Hohen Tatra sollte man mal gesehen haben. Als Tourist darf man sich aber nicht darauf einstellen, die Wanderwege für sich alleine zu haben. Dass Polen kein typisches Reiseland ist, ist wohl wahr. Wir hatten aber nicht damit gerechnet, wie viele Polen die Sommerferien nutzen, um ihr eigenes Land zu erkunden.
Auf der Fahrt von Zakopane nach Krakau planten wir einen Zwischenstopp ein, um das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu besichtigen. In der Zeit von 1940 bis zur Befreiung durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 wurden hier über eine Million Menschen systematisch getötet. Etwa 90% davon waren Juden.
Neben den Berichten der letzten Überlebenden ist die Besichtigung eines Vernichtungslagers die wohl eindrücklichste Möglichkeit, auch nur ansatzweise zu begreifen, wozu Menschen in der Lage sind. Unter www.auschwitz.org kann man sich für geführte Touren anmelden.
Mit Krakau komplettierten wir unsere Ziele im Süden Polens. Die Hauptstadt der Woiwodschaft Kleinpolen ist mit 780.000 Einwohner/innen die zweitgrößte Stadt des Landes. Bis 1596 war die Metropole an der Weichsel die Hauptstadt des Königreichs Polen und der Sitz der polnischen Könige. Vielen gilt Krakau auch aufgrund dieser historischen Relevanz als die "heimliche Hauptstadt" des Landes. Dieses Selbstvertrauen nährt sich auch aus der anhaltend großen wirtschaftlichen Bedeutung. Nach Angaben des World Investment Report 2011 der UNO ist Krakau der aufstrebendste Standort für Investitionen in Innovationen der Welt.
Im Gegensatz zu vielen anderen polnischen Städten wurde Krakau von Kriegszerstörungen weitgehend verschont. Dadurch sind viele Baudenkmäler im historisch geprägten Stadtbild bis heute gut erhalten. Seit 1978 findet sich die Altstadt Krakaus auch auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbe wieder, wo sie als Ensemble aufgeführt ist: die mittelalterliche Kernstadt, der Wawelhügel sowie die Stadt Kazimierz.
In der Kernstadt reihen sich um den Hauptmarkt herum zahlreiche Bürgerhäuser. In der Mitte des Platzes befinden sich die Tuchhallen, die heute als Markthalle vor allem für Touristen dient, sowie der alleinstehende Rathausturm als letztes Überbleibsel des alten Rathauses. An einer Ecke des Platzes befindet sich mit der Marienkirche die wohl beeindruckendste und bekannteste der über 100 Kirchen in Krakau. Einmal pro Stunde ertönt von dort das Turmbläsersignal als "akustisches Wahrzeichen" der Stadt.
Der Wawel ist ein Hügel im Zentrum Krakaus am linken Ufer der Weichsel. Auf ihm befindet sich eine Burganlage, die neben dem ehemaligen Königschloss auch die Krakauer Kathedrale und weitere historische Bauten einschließt. Während der Baustil des Schlosses klar der Renaissance zugeordnet werden kann, wurde die Kathedrale über die Jahrhunderte sichtlich engagiert immer wieder erweitert.
Überquert man die Weichsel am Fuß des Wawel gelangt man nach Kazimierz. Das heutige jüdische Viertel Krakaus war früher eine eigenständige Stadt und wurde im Jahr 1800 eingemeindet. Das jüdische Leben ist hier allgegenwärtig und zeigt sich u.a. an den jüdischen Restaurants, der Live-Musik und der zahlreichen Synagogen. Wenn es in der Altstadt gerade an den Wochenenden oftmals überlaufen ist, geht es hier ein wenig entspannter zu.
Auf der Weiterfahrt nach Warschau stoppten wir schon wieder kurz dem Krakauer Stadtgebiet für einen Zwischenstopp in Wieliczka. Das gleichnamige Salzbergwerk ist eines der ältesten und bekanntesten Salzbergwerke der Welt und ist als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet. Der Abbau und der Handel mit Salz machte vom 14. bis zum 16. Jahrhundert ein Drittel der Staatseinnahmen aus, wodurch viele wichtige Bauwerke und Befestigungsanlagen finanziert wurden.
Die bloßen Ausmaße des Bergwerks alleine sind schon beeindruckend genug für einen Besuch. Hinzu kommt, was die Bergleute über die Jahrhunderte bis zu 130m unter Tage geschaffen haben. Von Skulpturen und Kronleuchtern aus Salzgestein, unterirdischen Seen und Treppenanlagen, bis hin zu Kapellen und ganzen Festsälen läuft man bei einer Führung von einer zur nächsten völlig unwirklichen Umgebung. Wer sich das ebenfalls ansehen möchte, kann sich auf der Internetseite des Salzbergwerks für Touren anmelden.
Warschau ist seit 1596 polnische Hauptstadt und mit ihren 1,8 Millionen Einwohner/innen auch die einzige wirkliche Großstadt Polens. Mit ihren weitläufigen Straßen, den Plätzen und Denkmälern wirkt Warschau deutlich monumentaler, als die Städte im Rest des Landes.
Die politische Bedeutung ist insbesondere entlang der Regierungseinrichtungen und den zahlreichen internationalen Botschaften spürbar. Bei einem Spaziergang vom Palast Belvedere, dem Wohnsitz des polnischen Präsidenten, entlang des Łazienki-Parks reihen sich die ausländischen Vertretungen aneinander. Im Park selbst finden sich auf den 80 Hektar viele schöne Ecken, unter anderem am Łazienki-Palast, an der Neuen Orangerie oder am Chopin-Denkmal. Wenn man ein wenig Zeit mitbringt, kann man sich hier gut und gerne ein paar Stunden treiben lassen.
Vor der Warschauer Skyline fällt vor allem ein Gebäude ins Auge: Der Kultur- und Wissenschaftspalast (polnisch Pałac Kultury i Nauki) Die 44 Stockwerke wurden zwischen 1952 und 1954 erbaut. Damals war es mit 237m das zweithöchste Gebäude Europas. Bei der polnischen Bevölkerung ist der Bau aufgrund seines Sponsors bis heute umstritten. In Auftrag gegeben wurde er von Josef Stalin als Geschenk an das polnische Volk. Zumindet die Touristen nehmen das Geschenk der Aussichtsplattform im 30. Stockwerk aber gerne an.
Fast wie eine Insel in der Großstadt wirkt die historische Altstadt. Unweit der Weichsel wurde das historische Zentrum nach der völligen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg innerhalb weniger Jahre originalgetreu wieder aufgebaut. In direkter Nachbarschaft befinden sich das Warschauer Königschloss, die Johanneskathedrale und die Sigismundsäule. Letztere erinnert an den polnischen König Sigismund, der Warschau zur Hauptstadt Polens erklärte.
Eine ähnlich bekannte Statue findet sich wenige Meter weiter inmitten des Altstadtmarkts (Rynek Starego Miasta). Die Statue einer Meerjungfrau mit Schwert und Schild geht auf eine Sage zur Stadtgründung Warschaus zurück, weshalb die "Warschauer Meerjungfer" auch das Stadtwappen ziert. Vor der beeindruckenden Postkartenkulisse des mittelalterlichen Marktplatzes gerät die Statue fast ein wenig in den Hintergrund. Man sollte es sich nicht entgehen lassen, hier in Ruhe ein Eis zu essen und die Szene auf sich wirken zu lassen.
Warschau ist in vielerlei Hinsicht eine Stadt mit einer bewegten Geschichte. Einen besonders guten Eindruck dieser Historie bekommt man im POLIN, dem Museum der Geschichte der polnischen Juden. Das Museum ist sowohl inhaltlich als auch architektonisch einen Besuch wert. Direkt davor befindet sich das Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos, das der deutschen Öffentlichkeit vor allem wegen Willy Brandts "Kniefall von Warschau" aus dem Jahr 1970 in Erinnerung ist.
Masuren ist eine Region im Norden Polens. Die Gegend ist sehr ländlich geprägt und wir nutzten den Zwischenstopp für ein wenig Natur nach den Metropolen der vergangenen Tage.
Die masurische Seenplatte ist eine Moränenlandschaft mit Tausenden von Seen, Flüssen und umliegenden Wäldern. Die beiden größten Seen sind der Śniardwy (Spirdingsee) und der Mamry (Mauersee), die zugleich die größten Seen Polens sind. Unsere Unterkunft befand sich am Rande der Altstadt von Olsztyn (dt. Allenstein). Von dort aus starteten wir einen Tagesausflug mit einer kleinen Kanutour.
Mit den ganzen Eindrücken des Tages im Kopf hätten wir uns auch vorstellen können, noch ein paar Tage länger in Masuren zu verbringen. Es gibt hier sehr viele Möglichkeiten zum Wandern, zum Kanuwandern oder zum Campen. Auch die Altstadt von Olsztyn hatte überraschend mehr zu bieten, als wir das erwartet hatten. So verließen wir Masuren nach kurzer Zeit schon wieder mit dem Gefühl, dass die Region noch deutlich mehr für uns zu bieten gehabt hätte.
Die Marienburg (polinisch Zamek w Malborku) ist eine Ordensburg aus dem 13. Jahrhundert nahe des gleichnamigen Städtchens. Sie wurde vom Deutschen Orden am Fluss Nogat, einem Mündungsarm der Weichsel errichtet. Über die Jahrhunderte gehörte die Burg zu Polen, zu Preußen und für kurze Zeit sogar zu Schweden. Der größte Backsteinbau Europas hat die Machtwechsel offensichtlich ganz gut überstanden.
Heute kann die Marienburg ganzjährig besichtigt werden. Vom großen Innenhof aus gelangt man zu den unterschiedlichen Sälen, in denen teilweise auch wechselnde Ausstellungen stattfinden.
Mit der Station in Danzig erreichten wir die nördlichen Regionen Polens. Neben den 468.000 Einwohner/innen beherrbergt die ehemalige Hansestadt an der Danziger Bucht zahlreiche Werften und den größten Seehafen des Landes. Dadurch sind in Danzig der Schiffsbau und der Handel bis heute präsent.
Die meisten Sehenswürdigkeiten von Danzig befinden sich in der sogenannten Rechtsstadt. Dieser Begriff leitet sich nicht etwa aus der Lage, sondern aus dem Rechtsstatus ab. Auch wenn es daneben auch noch die eigentliche Altstadt gibt, ist die Rechtsstadt die eigentliche Innenstadt und der erste Anlaufpunkt für Besucher/innen. Für einen ersten Überblick startet man am besten beim Hohen Tor und gelangt durch das Langgasser Tor auf die Lange Gasse (Ulica Długa). Entlang dieser Hauptstraße kommt man am berühmten Neptunbrunnen, am Lange Markt und am Rathaus vorbei. Geht man am Ende durch das Grünen Tor, gelangt man zum Ufer der Motlawa und zum Krantor, einem weiteren Wahrzeichen der Stadt.
Die Hauptstraße ist besonders bekannt für ihre bunten Fassaden, die nach der völligen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg originalgetreu wieder aufgebaut wurden. Mindestens genauso sehenswert, etwas ruhiger und authentischer sind die nördlicheren Parallelstraßen. Die Frauengasse mit ihren vielen Cafés, Bernsteinwerkstätten und steinernen Verandas ist nur wenige Meter entfernt und bietet mit der Marienkirche noch ein weiteres Highlight. Der Innenraum der größten Backsteinkirche der Welt ist nicht allzu spektakulär, ganz im Gegensatz zum Ausblick vom 82m hohen Hauptturm. Wenn man die 400 Stufen hinter sich gebracht hat, kann man die ganze Danziger Innenstadt von oben aus betrachten.
Die eigentliche Altstadt Danzigs liegt zu Fuß nur wenige Minuten nördlich der Rechtsstadt. Hier kann man sich in einem gemütlichen Spaziergang unter anderem die Katharinenkirche, die Große Mühle oder den historischen Hauptbahnhof ansehen. Wer sich auch für die politische Vergangenheit der Stadt interessiert, wird in der Brigittenkirche fündig. Im Zuge der Solidarność-Bewegung war sie ein Treffpunkt der freien Gewerkschaft um Lech Wałęsa. Der Bernsteinaltar erinnert bis heute an die 28 Werftarbeiter, die im Dezember 1970 bei Protesten ums Leben kamen.
Um sich intensiver mit Solidarność zu beschäftigen, findet man in Danzig beispielsweise auch geführte Touren durch die Werften und die Originalschauplätze der antikommunistischen Bewegung, die einen maßgeblichen Beitrag zum Zerfall der Sowjetunion geleistet hat. Einen Ausflug in einen anderen Teil der polnischen Vergangenheit bietet hingegen das Museum des Zweiten Weltkrieges (Muzeum II Wojny Światowej), das im Jahr 2017 eröffnet wurde.
Die bisherige Reise war geprägt durch sehr viele Städte. Im Norden Polens hatten wir deshalb ganze vier Tage eingeplant, um das Meer und die Sonne zu genießen. Dafür hatten wir uns das Örtchen Mielno (dt. Möllen) ausgewählt. Mielno war in unserem Reiseführer mit keinem Wort erwähnt. Auf der Landkarte liegt es geradezu idyllisch zwischen der Ostsee und dem lagunenähnlichen Jamunder See (Jamno). Ein paar ruhigen Strandtagen stand also nichts im Weg. So zumindest der Plan.
Was unserem Plan schlussendlich im Weg stand, war einerseits das Wetter. Denn statt Sonne gab es Wind, Regen und 18°C. Ebenfalls schwierig war die ganz und gar nicht idyllische Aufmachung dieses Städtchens. Denn Mielno lässt sich wohl am ehesten beschreiben als eine Mischung aus Lloret de Mar und Rummelplatz. Viele Polen in Jogginghosen und etwas zu kleinen Gucci-T-Shirts vergnügen sich an Pommesbuden und Spielhallen. Dazu gibt es Disco-Schlager und Autoscooter. Nun klingt die Schilderung vielleicht ein wenig abschätzig. Vielleicht richtet sich die arrogante Geisteshaltung auch gegen eine allzu fahrige Reiseplanung. Wir reisten bereits einen Tag früher weiter, als geplant.
Mit einem Blick auf die Landkarte lässt sich erkennen, dass Stettin bereits zu den letzten Stationen der Rundreise zählen müsste. Für uns war es sogar die letzte Station (mit einem kurzen Abstecher auf die Insel Wolin), bevor wir die Heimreise antraten. Zuvor hatten wir aber noch ein paar Tage in der Hauptstadt Westpommerns.
Stettin ist geprägt durch seine Nähe zur Ostsee. Neben Industrie und Handel prägen jedoch auch die allein drei staatlichen Universitäten das Leben der knapp 410.000 Einwohner/innen. Die wichtigste Sehenswürdigkeiten sind die Hakenterrasse - bekannt nach einem langjährigen Oberbürgermeister - mit dem Nationalmuseum und dem Woiwodschaftsgebäude. Diese Monumentalbauten am Ufer der Oder sind absolut beeindruckend und bilden eine sehr staatstragende Kulisse.
Die Altstadt ist ein wenig kleiner und beschaulicher, als in den vorhergehenden Stationen. Dennoch lohnt sich ein Besuch der Jakobskathedrale, der Johanneskirche oder dem Alten Rathaus am Stettiner Heumarkt (Rynek Sienny). Und wenn man schonmal in dieser Gegend ist, kann man im Gewölbekeller der Brauerei Wyszak den Abend auch gemütlich ausklingen lassen.
Für ein weiteres Highlight geht es ebenfalls in den Keller. Genauer gesagt in den Luftschutzbunker unter dem Hauptbahnhof. Der Bunker entstand im Jahr 1941 zum Schutz vor den Luftangriffen der Alliierten - schließlich gehörte Stettin bis 1945 noch zu Deutschland. Das Bauwerk bot mit seinen drei Meter dicken Stahlbetonwänden auf fünf Stockwerken Platz für bis zu 5.000 Menschen. Seit 2006 ist die Anlage für die Öffentlichkeit geöffnet.
Wolin ist die größte Insel Polens und liegt etwa 60km nördlich von Stettin zwischen der Pommerschen Bucht und dem Stettiner Haff. Neben ein paar bekannten Seebädern ist die Insel bekannt für ihren Nationalpark (Woliński Park Narodowy), der sich von Stettin aus für einen Tagesausflug geradezu aufdrängt.
Während das Stettiner Stadtgebiet teilweise weniger als fünf Kilometer von der deutschen Grenze entfernt liegt, ist Deutschland auf Wolin ebenfalls zum Greifen nah. Bis 1945 teilten sich Wolin und Usedom einen gemeinsamen preußischen Landkreis in Vorpommern. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte die Aufteilung.
Eine Sache vorweg: Polen ist eine Reise wert. Insbesondere wenn man bisher noch keine Berührungspunkte mit dem größten Nachbarn östlich von Deutschland hatte. Warschau und Krakau werden ihrem Ruf gerecht. Breslau und Danzig waren echte Überraschungen. Die Hohe Tatra und die Seen in Masuren sind absolut malerisch. Dazu ist das Land kostengünstig und die Angst vor Autodiebstahl ist ein Relikt aus den Neunzigerjahren.
Polen ist kein klassisches Reiseland. Zumindest dachten wir das. Die vielen, vielen Polen im In- und Ausland sehen das aber offensichtlich ganz anders. Wir waren überrascht und teilweise ein wenig überfordert davon, wie viele Menschen die Altstadt von Krakau oder die Gipfel von Zakopane bevölkerten. Vielleicht würden wir beim nächsten Besuch einen Zeitraum außerhalb der polnischen Sommerferien einplanen.
Ganz abgesehen von Sightseeing und Reiseroute empfanden wir es in Polen als nicht so einfach, mit den Menschen in Kontakt zu kommen und ein Gefühl für die polnische Lebensart zu entwickeln. Vielleicht liegt es an der sprachlichen Barriere, vielleicht an den unglücklichen Überschneidungen in der gemeinsamen Geschichte oder vielleicht ergaben sich keine Situationen, die vertraut genug gewesen wären, damit die berühmte polnische Gastfreundschaft hätte durchschlagen können. Vielleicht - und das ist abschließend das wahrscheinlichste Erklärung - sind sich die Deutschen und die Polen in ihrer Art vielleicht ähnlicher, als uns das bisher bewusst war.